Lehrstuhl für Finnougristik
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Erfahrungsbericht Auslandssemester

Auslandssemester an der Universität Helsinki, Finnland

September 2005 - April 2006
Kontaktstipendium

von Monika Isépy

Finnougristik / Lateinische Philologie des Mittelalters / Lateinische Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München

 

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Im April 2005 habe ich mich für ein Kontaktstipendium im Rahmen des bilateralen Abkommens über den Studentenaustausch der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Helsinki beworben. Nach Erhalt der Zusage über ein Austauschplatz an der Universität Helsinki für den Zeitraum vom September 2005 bis April 2006 konnte ich meine Unterkunft in Helsinki mit der dafür zuständigen Institution HOAS (Helsingin seudun opiskelija-asuntosäätiö = Foundation for Student Housing in the Helsinki Region) regeln. Der Abschluß des Mietvertrages (inkl. Kaution) war einfach, problemlos.

Bei der Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes wurde ich von der Kontaktperson der Ludwig-Maximilians-Universität München, Frau Prof. Schellbach-Kopra, unterstützt und begleitet.

In Helsinki wohnte ich im nord-östlichen Stadtteil Pihlajamäki ('Vogelbeerenhügel') im Studentenwohnheim Vuolukiventie 1b, welches etwa 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist. Bis zur Universität fährt man mit dem Bus ca. 30 - 45 Minuten. Der öffentliche Personennahverkehr in Helsinki ist hervorragend ausgebaut, auf den von mir benutzten Strecken fuhren die Busse werktags im Fünf- bzw. Zehn-Minuten-Takt. Die Fahrkarten konnten in jedem "R-Kioski" oder an Automaten mit Zeit und/oder Geld aufgeladen werden. Der Preis für eine Monatskarte betrug um die 40 Euro.

Das Studentenwohnheim war eine in den 60-iger Jahren erbaute, ursprünglich als Altersheim genutzte Wohnanlage. Sie besteht aus blockartigen Häuserkomplexen, die um einen parkartig angelegten Innenhof plaziert sind. Die Einzelapartments enthalten ein helles, geräumiges, möbliertes Zimmer (Schrank, Bett, Tisch, Stuhl), Küchennische (Herd, Kühlschrank) und ein Badezimmer. In den Kellern stehen gemeinsame Waschmaschinen und Trockner zur Verfügung. Die gesamte Wohnanlage ist sanierungsbedürftig.

Einen Internetanschluß konnte ich nach meiner Ankunft bei der Telefongesellschaft ELISA für 17 Euro pro Monat beantragen. In allen anderen Helsinkier Studentenwohnheimen kann aufgrund der Nähe zum Stadtzentrum das Netzwerk der Universität umsonst genutzt werden. Für das Handy lohnt es sich eine finnische Prepaid-Karte zuzulegen. Der Lebensunterhalt in Finnland ist wesentlich teurer als in Deutschland. Mit einer am Beginn des Studiums zu beantragenden UniCard bekommt man Vergünstigungen in der Mensa, in Museen und bei der Bahn.

Es gibt in Helsinki eine auffällig große Anzahl von modernsten und bestausgestatteten Bibliotheken. Zur Benutzung der Studentenbibliothek mit dem wohlklingenden Namen "Aleksandria" gibt es eine eigene "HELKA"-Karte (Helsingin yliopiston kirjasto - Kansalliskirjasto = Helsinki University Library – The National Library of Finland). Ferner sind in vielen Stadtteilen Teilbibliotheken, die alle mit einer "HelMet"-Karte (Helsingin kaupunginkirjasto, Stadtbibliothek Helsinki) genutzt werden können. Die Archive, besonders das Nationalarchiv bewahren weitere wertvolle Dokumente und Bücher.

Als ich am Flughafen Helsinki-Vantaa ankam, wartete eine Studentin, Minttu, auf mich. Während der Busfahrt vom Flughafen in die Stadt erklärte sie mir die ersten wichtigsten Schritte und brachte mich anschließend zum Studentenwohnheim. Diesen sehr zu empfehlenden  "Pick-up-service" der Universität konnte man zusammen mit den Bewerbungsunterlagen beantragen. Die Vorbereitung auf das "finnische Leben" war von der Universität Helsinki gut organisiert. Am Anfang des Semesters wurde eine Einführungsveranstaltung "Orientierungswoche" gehalten, in der wir je nach Studienfächern Tutoren, zugeteilt wurden. Unsere Tutorin, Nora, stand uns auch während der gesamten Studienzeit in Helsinki bei Fragen hilfsbereit zur Verfügung.

Das sog. Herbstsemester in Finnland fängt Anfang September an und dauerte bis Mitte  Dezember, das Frühjahrssemester beginnt Mitte Januar und endet im April. Somit lassen sich in der Zeit der vorlesungsfreien Monate und des Wintersemesters in Deutschland zwei Semester in Finnland absolvieren. In Helsinki war ich an der Fakultät für Geisteswissenschaften für Allgemeine Sprachwissenschaften eingeschrieben und studierte am Institut für Finnougristik und dem Institut für Klassische Philologie.

Von September 2005 – April 2006 nahm ich an folgenden Kursen teil:

  • Einführung in die finnisch-ugrische Sprachwissenschaft (Johdatus suomalais-ugrilaisten kielten tutkimukseen),
    Riho Grünthal, Ulla-Maija Kulonen, 4-stündig,
  • Geschichte der Finnougristik (Fennougristiikan oppihistoriaa),
    Tapani Salminen, 1-stündig
  • Finnisch 4 / Aufbaukurs 3 (Suomi 4 / Jatkokurssi 3),
    Hannele Jönsson-Korhola, 6-stündig
  • Übersetzen finnisch-ungarisch (Kääntäminen suomesta unkariin),
    Éva Gerevich-Kopteff, 1,5-stündig
  • Vorlesung: Sprachgeburt als interdisziplinäres Problem (Kielen synty monitieteisenä ongelmana),
    Fred Karlsson, 2-stündig
  • Orientation Course for Foreign Students
  • Lateinische Syntax und Morphologie (Latinan muoto- ja lauseoppi),
    Reijo Pitkärant, 4-stündig
  • Vorlesung: zur lateinischen Syntax (Latinan lauseoppi),
    Reijo Pitkäranta, 2-stündig
  • Sprachsoziologie, Zweisprachigkeit und Bedrohung (Kielisosiologia, kaksikielisyys ja uhanalaisuus,
    Riho Grünthal , 2-stündig
  • Dolmetschen und Übersetzen finnisch-ungarisch/ ungarisch-finnisch (Kääntäminen ja tulkkaus unkarista suomeen/ suomesta unkariin),
    Ildikó Vecsernyés und Anna Tarvainen, 3-stündig
  • Die bekanntesten ungarischen Filme (Unkarin tunnetuimmat elokuvat),
    Éva Gerevich-Kopteff , 1-stündig
  • Freiwillige Übersetzungsübungen aus dem Finnischen ins Lateinische (Vapaaehtoiset käännösharjoitukset äidinkielestä Latinaan),
    Raija Sarasti-Wilenius , 1-stündig

Um meine Kenntnisse der Landessprache auszubauen, belegte ich an der Universität Finnisch-Sprachkurse und nur Kurse in der Unterrichtssprache Finnisch. Eine Ausnahme bildete der Orientation Course für ausländische Studenten am Anfang des Semesters, der auf Englisch gehalten wurde. Im Allgemeinen ist der Gebrauch des Englischen in Finnland sehr verbreitet. Während des Aufenthalts konnte ich mich - insbesondere mit anderen ausländischen Studierenden - oft auf nur Englisch verständigen. In Finnland werden für absolvierte Prüfungen Kreditpunkte erteilt, gleichzeitig werden die Leistungen mit einer Notenskala von 5 bis 0 bewertet, wobei 0 der Bewertung "ungenügend" entspricht. Diese Bewertungsskala wurde erst vor kurzem eingeführt, davor galt eine Wertung von 10 bis 0. Es gab mehrere Umstellungen, die im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozeß erfolgten. Die Teilnahme an finnischsprachigen  Lehrveranstaltungen und Klausuren war für mich sehr nützlich, da ich mich dadurch in kurzer Zeit intensiv mit der finnischen Terminologie meiner Studienfächer auseinandersetzen mußte. Außerdem habe ich auf Anregung einiger Finnougristik Studenten Ungarisch-Konversation angeboten, wo fortgeschrittene Studenten ihre Sprachkenntnisse zusätzlich üben und erweitern konnten.

Das Studium an der Universität Helsinki hat neben der Verbesserung meiner Finnischkenntnisse, auch zur Erweiterung meines Horizontes beigetragen. Besonders gilt dies für mein Hauptfach Finnougristik. Durch die geographische Nähe zu Estland und auch zu den im heutigen Rußland lebenden kleineren finnisch-ugrischen Völkern, ist die Universität Helsinki ein wichtiges wissenschaftliches Zentrum der Finnougristik. Während meines Finnlandaufenthaltes hatte ich u.a. Gelegenheit, bei Sprachwissenschaftlern wie Grünthal, Karlsson, M. Kovács, Kulonen, Pitkäranta und Salminen zu studieren. Die Übersetzungskurse sei es ungarisch-finnnisch / finnnisch-ungarisch oder latein-finnisch / finnisch-latein trugen besonders viel zur Vertiefung und Festigung des Finnischen bei. Da die Studierenden meines Hauptfaches aus verschiedenen Ländern kamen, konnte ich auch mehrere Sprecher einer der kleineren finnougrischen Sprachen in Rußland, wie Komi, Mari oder Mordwinisch kennenlernen. Ich nahm auch an Veranstaltungen des Ungarischen Kultur- und Informationszentrums in Helsinki teil, wie z.B. an den Feierlichkeiten zum ungarischen Nationalfeiertag am 15. März, oder der Eröffnung einer Ausstellung eines zeitgenössischen Malers. Im Laufe meines Aufenthaltes in Finnland konnte ich sowohl mit Einheimischen, als auch mit Austauschstudenten sehr viele Kontakte knüpfen und durch die Gespräche war es mir möglich, etwas über das spezifische Lebensgefühl der Finnen zu erfahren. Mit der allmählichen Verbesserung der Sprachkenntnisse wuchs auch immer mehr mein Verständnis für die Dinge des finnischen Alltags. Sehr interessant war es für mich, die Landeswahlen und die damit verbundenen Diskussionen in den Medien mitverfolgen zu können.

Zweimal erhielt ich Besuch von Freundinnen aus Deutschland, was Gelegenheit bot, die Sehenswürdigkeiten in und um Helsinki erneut zu besichtigen. Auch ein Tagesausflug nach der schwedischen Hauptstadt Stockholm stand auf dem Programm.

Schließlich möchte ich nicht vergessen, die Schönheit der Natur Finnlands zu erwähnen. Selbst an den kältesten Wintertagen waren Spaziergänge auf dem Meer und den um Helsinki liegenden Inseln eine Freude. Schlittschuhlaufen konnte man auf den zugefrorenen Gewässern oder auf mehreren Sportplätzen, auch direkt hinter dem Studentenwohnheim. Da mir glücklicherweise einige finnische Bekannte vor dem Winter den Tipp gegeben hatten, daß es nur auf gute Schuhe und Kopfbedeckung ankäme, habe ich die Kälte, trotz der anhaltenden niedrigen Temperaturen (wochenlang kälter als –15 Grad) nicht als störend empfunden.

Der Aufenthalt in Helsinki ist gut gelungen und hat mein Studium sehr bereichert. Die dort verbrachte Zeit hat mir viel Freude bereitet. Wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, würde ich sofort gerne wieder hinfahren.

    Monika Isépy