Aktuelle Tätigkeiten
Buchvorstellung
Publikation von Matthias Nauhaus 2015
Exposé über Tätigkeiten im Jahr 2012
Der jung verstorbene Lyriker Attila József zählt zweifellos zu den bedeutendsten Dichtern Ungarns. Obwohl es ihm dank seines Talents gelang, den einfachen Verhältnissen seiner Kindheit zu entkommen, fühlte er sich Zeit seines Lebens stets verkannt. Zugegebenermaßen muss man einräumen, dass die Rezeption seines vielschichtigen Werks erst nach seinem Freitod im Jahr 1937 verstärkt zugenommen hat. Nicht selten ist sein poetisches Schaffen nur äußerst schwer von den tragischen Umständen seiner Biographie zu trennen. Dass er beim Schreiben offenkundig private Erfahrungen dargestellt hat, ist möglicherweise einer der Gründe für die ungebrochene Faszination seines Publikums.
Wohl kein anderes Gedicht ist derart tief im kulturellen Gedächtnis der Ungarn verankert wie der Titel 'Mama'. Die Bedeutung dieses Meisterwerks wird einem jedoch erst vollkommen klar, wenn man die filigrane Komposition ein wenig genauer unter die Lupe nimmt.
Attila József fühlte sich dauerhaft klassischen Konventionen verbunden, was unter anderem anhand der strengen Metrik seiner Dichtung zu erkennen ist. Diese Herangehensweise brachte ihm bisweilen harsche Kritik seitens diverser Zeitgenossen ein, die ihm vorwarfen, hoffnungslos der Nostalgie verfallen zu sein.
In einem offenen Brief verteidigte er sich gegenüber seinen Kollegen jedoch mit der Bemerkung, dass er es bereits versucht habe, im freien Vers zu schreiben, die Worte jedoch in gebundener Form aus seiner Feder flössen. Darüber hinaus lässt sich in den Raum werfen, dass der agglutinierende Aufbau der ungarischen Sprache es dem Dichter in der Tat verhältnismäßig einfach macht, adäquate Reime zu finden. Auch in der zeitgenössischen Dichtung Ungarns ist diese Ausdrucksform weiterhin sehr häufig anzutreffen.
Wie man beim Lesen von 'Mama' allerdings feststellen wird, kommt das Gedicht trotzdem keineswegs gefällig daher. Diese Tatsache wurde in bisherigen Nachdichtungen zum Teil außer Acht gelassen, weshalb entscheidende Details zugunsten der oberflächlichen Wirkung in einigen Übersetzungen untergegangen sind. Die Art, wie Attila József das persönliche Verhältnis zu seiner verstorbenen Mutter resümiert - der stets eine tragende Rolle innerhalb seines Œuvres zukam - und wie er sein lyrisches Ich mit unterschiedlichen Zeitstufen konfrontierte, steht eindeutig in der Tradition ungarischer Dichtkunst. Es ist bemerkenswert, dass Attila József, seines Zeichens Atheist, versuchte, seiner Mutter ein Denkmal zu setzen, indem er sich in jeder Hinsicht der christlichen Symbolik um die Jungfrau Maria bediente und somit gewissermaßen die Apotheose seiner Mutter heraufbeschwörte. Diese bewegende Darstellung setzte er in einen scharfen Kontrast zur Unbeweglichkeit der fiktiven Stimme, woraus sich das tragische Moment des Textes erschließen lässt: Das lyrische Ich verpasst auf allen beschriebenen Zeitebenen seine Mutter, es wird nie zu einer realen Versöhnung kommen. Die Art, wie Attila József diese gegensätzlichen Dynamismen formal miteinander verwoben hat, gibt nur einen kleinen Eindruck dessen, was er als Dichter zu schaffen vermochte.
Maximilian Murmann
József Attila
Mama
Már egy hete csak a mamára
gondolok mindig, meg-megállva.
Nyikorgó kosárral ölében,
ment a padlásra, ment serényen.
Én még őszinte ember voltam,
ordítottam, toporzékoltam.
Hagyja a dagadt ruhát másra.
Engem vigyen föl a padlásra.
Csak ment és teregetett némán,
nem szidott, nem is nézett énrám
s a ruhák fényesen, suhogva,
keringtek, szálltak a magosba.
Nem nyafognék, de most már késő,
most látom, milyen óriás ő –
szürke haja lebben az égen,
kékítőt old az ég vizében.
(1934)
Attila József
Mama
Bereits eine Woche denke ich
bloß an Mama, immerzu, ständig.
Mit einem knarrenden Korb im Schoß,
ging sie auf den Boden, ging rasch los.
Ich, noch ein braver Kerl gewesen,
musste heulen, vor mich herstoßen.
Überlass anderen die Kleider!
Bring lieber mich rauf in den Speicher!
Stumm ging sie die Wäsche aufhängen,
schimpfte nicht, wollt mich nicht sehen
und die grellen Kleider, sie rauschten,
trudelten, stiegen in die Höhe.
Kein Jammern, da es jetzt zu spät ist
nun seh ich, welch ein Riese sie ist –
seh graues Haar am Himmel schweben,
waschblau Wasser des Himmels färben.
(dt.: Maximilian Murmann)
Exposé über Tätigkeiten im Jahr 2010
Fünf Jahre liegt die Gründung des Ungarischen Lyrikkreises bereits zurück und doch zeichnet sich kein Ende ab, im Gegenteil, gerade das Sommersemester 2010 bietet sich durch die Übung „Einführung in die Lyrikanalyse“ unserer allseits geschätzten Mária Kelemen die Chance, weitere großartige Dichter kennen zu lernen. So beleuchtet das Seminar zum einen die analytisch-theoretischen Hintergründe der anzuwendenden Methodik, zum anderen bietet es die einmalige Gelegenheit in einem großen Bogen, der über 450 Jahre ungarischer Dichtkunst umfasst, in der Renaissance beginnt und der Gegenwart endet, in das Leben und Schaffen solcher Größen wie János Arany, Attila József oder László Nagy einzutauchen. Viele dieser großartigen Werke liegen auch in einer deutschen Übersetzung vor, sodass also nicht nur eine Analyse des eigentlichen Werkes, sondern auch eine kontrastive Betrachtung von Original und Übersetzung möglich wird.
Im Kontext des Seminars konnten wir einen weiteren der ganz Großen Ungarns, den Begründer der ungarischsprachigen weltlichen Lyrik und Geburtshelfer der ersten großen Epoche ungarischer schöner Literatur, den 1554 geborenen Bálint Balassi, im Werke wiederzubeleben. Bereits in jungen Jahren im Geiste des Protestantismus erzogen, ging er als Elfjähriger nach Nürnberg, studierte und eignete sich einen riesigen Wissensfundus an, so sprach er zum Beispiel acht Sprachen fließend. Bereits hier traf er auf die italienische und deutsche Dichtung der Renaissance, die ihn Zeit seines Lebens nie ganz verlassen sollte. Ganz den Idealen der Spätrenaissance verpflichtet, suchte er der vollkommene Mensch zu werden, so wurde er außer in den klassischen Disziplinen auch in den Kriegskünsten unterwiesen, ein weiterer Wesenszug, den er nie ablegen sollte, kämpfte er doch mit Leidenschaft in den Türkenkriegen. Krieger und Dichter, Bewunderer der Frauen (Balassi wurde erst durch die Liebe zu eigenen dichterischen Werken berufen) und zutiefst religiös, spiegelt dieser Mann die Wirren seiner Epoche in seiner Biographie wider. In seiner Dichtung, die von ihm selbst in autobiographische Zyklen geordnet wurde, findet sich diese innere Zerissenheit, die Suche nach den eigenen Wurzeln und Zielen, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben (so konvertierte Balassi 1586 zum Katholizismus) und das idealistische Streben nach Perfektion ebenfalls durch und durch verkörpert. Sein Werk umfasst dabei drei große thematische Blöcke: die drei großartigen Zyklen aus Liebesgedichten, seine martialischen Verherrlichungen des Soldatenlebens und seine flehenden, gebetartig anmutenden geistlichen Dichtungen. Gerade diese letztere Gruppe ist es, die in der Übung thematisiert wurde und stellt zweifelsohne einen Höhepunkt des Schaffens von Balassi dar. Exemplarisch dafür mag an dieser Stelle das nachfolgende Gedicht Adj már csendességet... stehen, entstanden im Zeitraum von 1586 bis zu seinem Tode 1594, als Balassi schon zum Katholizismus konvertiert war. Bereits 1984 erschien in Budapest die ausgezeichnete Nachdichtung dieses Meisterwerks unter dem Titel Schenke mir den Frieden... im Verlag Corvinus. Der Autor Géza Engl bemühte sich dabei vor allem um eine formale Repräsentation des ungarischen Originals und übersetzte deswegen notgedrungen sehr frei, was leider teilweise der Wortgewaltigkeit des Originals abträglich ist. Dieser Mangel der anderweitig hervorragenden Bearbeitung veranlasste einen der Seminarteilnehmer, eine näher am Original liegende Fassung unter dem Titel Gib mir Muße... unter tatkräftiger Unterstützung Frau Kelemens zu erarbeiten. Im nachfolgenden wird diese Neubearbeitung Seite an Seite mit dem Original Balassis und der Übersetzung Géza Engls (diese ist vorläufig über diesen Link zu erreichen) präsentiert, um dem geneigten Leser die Möglichkeit zu bieten, sich selbst einen Eindruck vom Schaffen des bedeutendsten Vertreters der ungarischen Renaissancedichtung zu machen.
Christoph Nadolny
Balassi Bálint
Adj már csendességet...
Adj már csendességet, lelki békességet, mennybéli Úr!
Bujdosó elmémet ódd bútól szüvemet, kit sok kín fúr!
Sok ideje immár, hogy lelkem szomjan vár mentségére,
Őrizd, ne hadd, ébreszd, haragod ne gerjeszd vesztségére.
Nem kicsiny munkával, fiad halálával váltottál meg,
Kinek érdeméért most is szükségemet teljesítsd meg.
Irgalmad nagysága nem vétkem rútsága fellebb való,
Irgalmad végtelen, de bűnöm éktelen s romlást valló.
Jó voltod változást, gazdagságod fogyást érezhet-é?
Engem te szolgádot, mint régen sokakot, ébreszthet-é?
Nem kell kételkednem, sőt jót reménlenem igéd szerént,
Megadod kedvessen, mit igérsz kegyesen hitem szerént.
Nyisd fel hát karodnak, szentséges markodnak áldott zárját,
Add meg életemnek, nyomorult fejemnek letört szárnyát,
Repülvén áldjalak, élvén imádjalak vétek nélkül,
Kit jól gyakorolván hallak meg nyugodván bú s kín nélkül.
Bálint Balassi
Gib endlich Muße...
Gib endlich Muße, den Seelenfrieden, oh himmlischer Herr!
Schütz mein irrend Denken, mein grämend Herz,
von tausend Qualen durchbohrt!
Bereits endlose Zeit,
Meine Seele wartend nach Errettung dürstet,
Behüte sie, Verlaß sie nie, Erwecke sie!
Auf dass sie deinen Zorn nie entfessle,
Auf dass sie nie verlorengeht.
Nicht mit der geringsten Tat,
Mit dem Opfertod des Sohnes gar,
erlöstest du mich,
Auf dass jene Tat auch jetzt noch
Mich aus meiner Not errette.
Dein Erbarmen,
Nicht der Makel meiner Sünde,
Das Reichere ist,
Dein Erbarmen so endlos,
Meine Schuld so frevlerisch,
Ins Verderben reißt sie mich.
Ob sich deine Güte wandeln,
Dein Reichtum schwinden kann?
Ob sie mich, deinen Knecht,
Wie früher die vielen Anderen,
Erwecken können?
Ich zweifle nicht,
Bin guter Hoffnung,
Ob des gegebenen Worts,
Du gibts voll Liebe,
Was du gnädig versprochen,
So bekennt mein Glaube.
So öffne die gesegnete Schranke deiner Arme nun,
Deiner hochheiligen Hände Wall,
Gib mir, gib meinem Leben, meinem kläglich Geist
Die abgerißnen Schwingen,
Auf das ich dich im Fluge lobpreise,
In sündlosen Leben anbete,
In Muße, frei von Kummer und Qual,
Friedlich entschlafe.
Christoph Nadolny (2010)