Lehrstuhl für Finnougristik
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Bericht über die 6. Winterschule für Finnougristik in Wien

Die sechste Winterschule für Finnougristik, die dritte, die über das von ERASMUS+ geförderte Projekt INFUSE ausgerichtet wurde, wurde in diesem Jahr vom 26.02.-03.03. an der Abteilung Finno-Ugristik der Universität Wien veranstaltet.

Die Schwerpunkte der Winterschulen waren einerseits der Sprachkurs in Udmurtisch, sowie die Workshops zu Social Cognition und dem Themenkomplex der Minderheitensprachen, Sprachpolitik, und Mehrsprachigkeit im Kontext der finnougrischen Sprachen und Varietäten. Darüber hinaus gab es, wie in jedem Jahr, die Gelegenheit zum fachlichen Austausch im Rahmen eines Kolloquiums für fortgeschrittene Studierende und diversen sozialen Programmpunkten.

Der Montag begann mit einer Begrüßung und Eröffnung durch Professor Laakso, gefolgt von der ersten Einheit in Udmurtisch. Dieser Kurs wurde von mehreren Dozenten betreut, sodass ein Anfänger- und ein Fortgeschrittenenkurs angeboten werden konnte; Christian Pischlöger, der ebenfalls die Lehrmaterialien zusammengestellt hat, übernahm mit Unterstützung des Doktoranden Zoltán die Leitung des Anfängerkurses, während Teilnehmer, die bereits über Vorkenntnisse verfügten oder an dem E-learning-Kurs teilgenommen hatten, in einen fortgeschrittenen Kurs mit dem aus Iževsk angereisten Dozenten Dmitri Efremov ihre Sprachkenntnisse vertiefen konnten. Am Nachmittag folgte eine Einführung in das Themengebiet der Mehrsprachigkeitsforschung im Hinblick auf die Revitalisierung von Minderheitensprachen und schuf eine theoretische Grundlage für die folgenden Einheiten. Im Anschluss hielt Professor Sarhimaa (JGU Mainz) einen Gastvortrag zum Thema „Language endangerment as an object of sociolinguistic research“, in dem sie einen guten Überblick über die Möglichkeiten linguistischer Forschung zu Minoritätssprachen gab und das große internationale Forschungsprojekt ELDIA und dessen Methodik und Ergebnisse vorstellte.

Am Dienstagmorgen fand der Udmurtischkurs in getrennten Gruppen statt, wobei die Anfänger einfache Verbalmorphologie und Lokalkasus, und die fortgeschrittene Gruppe sich an der Lektüre udmurtischer Texte übte. Am Nachmittag hielt Eva Vetter (Wien) einen Gastvortrag mit dem Titel „Majority, minority, or foreign: languages in education. Perspectives on a multilingual turn“, der die Thematik der Minderheitensprachen in mehrsprachigen Gesellschaften aus der Sicht der angewandten Sprachwissenschaft beleuchtete. Anschließend präsentierten Studierende Kurzvorträge zu ausgewählten Themen der Sprachrevitalisierung im Kontext des Karelischen, Saami, sowie heritage languages (z.B. Estnisch außerhalb Estlands).

Der Mittwoch begann erneut mit einer Einheit des Udmurtischkurses, zu deren Abschluss wir alle gemeinsam das Lied Лымы тӧдьы sangen. Anschließend folgte eine Arbeitsphase für den Workshop zu Minderheitensprachen, in der wir in Kleingruppen einen Strategieplan für die Revitalisierung einer kleinen finnougrischen unserer Wahl erarbeiten sollten. Es bildeten sich Gruppen für Skolt- und Südsaami, Wepsisch, Selkupisch und Komi, mit Vorschlägen von der Erstellung von Lehrmaterialien und Onlinekursen, über die Verbesserung der Infrastruktur in ländlichen Regionen, bis zu Sprachaktivismus der bessere Rechte und ein besseres Ansehen der Minoritätensprachen fördern soll. Obwohl nur wenige der Vorschläge direkt umsetzbar sind oder tatsächlich zu Projekten ausgearbeitet werden, beleuchten diese Überlegungen die soziale Verantwortung von Linguisten und zeigen Möglichkeiten der Gemeinschaftsarbeit im Rahmen von Forschungsprojekten auf.

In der Udmurtischstunde am Donnerstag beschäftigten wir uns im Anfängerkurs mit emphatischen Partikeln, welche in einer umfassenden Diskussion über Pragmatik und die Natürlichkeit eines Dialogs aus dem Lehrbuch endete. Zum Ende der Einheit übersetzten wir das berühmte Lied der Бурановские бабушки („Party for Everybody“, zweiter Platz beim Eurovision Song Contest 2012). Nachmittags begann der zweite Workshop „The Grammar of Social Cognition“ unter Leitung von Professor Skribnik, die bereits den E-learning-Kurs betreut hatte, sowie Nicholas Evans und Danielle Barth (Canberra), die im Rahmen ihrer Forschung ein Parallelkorpus mit Schwerpunkt auf social cognition (SCOPIC) erstellt haben, das den Workshopteilnehmern als Vorbild für die eigene Forschung dienen sollte. Die Teilnehmer des E-learning-Kurses hatten in Kleingruppen Interviews mit Muttersprachlern des Estnischen, Saami, und Udmurtischen durchgeführt, welche mit den selben Hilfsmitteln durchgeführt wurde, wie die im SCOPIC enthaltenen Projekte. Die daraus resultierenden Pilotstudien wurden nach einer Einführung in die Thematik durch die Leiter des Workshops in Kurzreferaten vorgetragen.
Am Abend waren die Teilnehmer der Winterschule zu einem offiziellen Diner an der Diplomatischen Akademie Wien eingeladen, an dem auch der Botschafter Estlands teilnahm. Wir danken an dieser Stelle für die Einladung und die hervorragende Bewirtung.

Die abschließende Einheit des Udmurtischkurses am Freitag befasste sich mit dem Tempussystem des Udmurtischen, zu dem Zoltán einen wissenschaftlichen Vortrag aus seiner Forschung hielt.
Nach der Mittagspause folgten weitere Einheiten zum Social Cognition Workshop, in denen wir in Kleingruppen eigene Texte nach dem vorgestellten Kodierungsschema bearbeiteten und unsere Ergebnisse im Anschluss vortrugen. Am Abend fanden sich Dozenten und Studenten zum geselligen Beisammensein mit finnougrischer Musik und Tanz zusammen, wobei auch die Möglichkeit bestand, die persönlichen Kontakte zwischen Studierenden aller teilnehmenden Institutionen zu stärken.

Zum Abschluss der Winterschule fand das Kolloquium statt, bei dem Studierende die Möglichkeit haben, über ihre eigene Forschung und geplante Projekte zu referieren und Rückmeldungen von allen Anwesenden zu erhalten.

Im Namen aller Teilnehmer bedanken wir uns herzlich bei der finnougristischen Abteilung der Universität Wien für die Ausrichtung der Winterschule, sowie bei allen Lehrkräften, Helfern und Unterstützern, die zum Gelingen dieser Konferenz beigetragen haben.