Lehrstuhl für Finnougristik
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Erfahrungsbericht Erasmus Aufenthalt an der ELTE Budapest

Agnes Rudolf
Volkskunde/Europäische Ethnologie; Sprache Literatur und Kultur
Erasmus Aufenthalt an der ELTE Budapest
Wintersemester 2012/2013

 

Vorwort

Die Idee, nach Budapest zu gehen, entsprang vor allem aus der Neugierde über den mir bisher unbekannten östlichen Teil Europas, welcher sicherlich ein eher unübliches Erasmusziel darstellt. Zur Motivation beigetragen haben dabei auch die Kurse „Ungarische Landeskunde I+II“ von Frau Mária Kelemen, welche einen wunderbaren ersten Eindruck über die faszinierende Sprache, Geschichte und Kultur gegeben haben.

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Vorbereitung

Wer sich dafür entschließt, ins Ausland zu gehen, muss sich sehr schnell in Bürokratie und Geduld üben. Beides Dinge, denen man während seines Aufenthaltes noch oft begegnen wird. Dennoch, lasst euch gesagt sein – es lohnt sich! Ebenfalls lohnenswert ist es, sich im Vorhinein des Erasmusaufenthaltes für einen EILC Sprachkurs (Sommerschule) zu bewerben, welcher 3 Wochen intensive Einblicke in die ungarische Sprache und Kultur gibt. Erste Ausflüge durchs Land, soziale Kontakte und (inter)kulturelle Überraschungen gibt’s inklusive! Bewerben muss man sich vorher. Dies sollte man unbedingt über das Büro für Internationale Angelegenheiten tun, denn nur dann bekommt man einige Kosten durch den DAAD zurückerstattet. An der ELTE Universität gilt es bereits im Vorhinein einen Mentor anzufragen, welcher einem dann während des ganzen Aufenthaltes bei Schwierigkeiten oder Unklarheiten behilflich sein kann. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass dieses Mentorensystem gut funktioniert und auf jeden Fall eine große Unterstützung ist. Da das Vorlesungsverzeichnis in Ungarn leider meist erst zum eigentlichen Semesterbeginn feststeht, kann man sich, was die Kurswahl betrifft, lediglich an den alten Vorlesungsverzeichnissen orientieren. Wenn man sich bestimmte Leistungen anerkennen lassen will, sollte man, sobald man die Kurse kennt, mit dem entsprechenden Studiengangskoordinatoren an der LMU Kontakt aufnehmen.

 

Sprache

Die ungarische Sprache gehört zu den finnougrischen Sprachen. Zudem finden sich auch slawische, germanische wie auch romanische Einflüsse, die wohl auf die geographischen Nachbarn Ungarns zurückzuführen sind. Ungarisch gilt als die zweitschwierigste Sprache der Welt. Dennoch sollte man sich deswegen nicht abschrecken lassen – denn im Notfall kommt man in Ungarn auch relativ gut mit Deutsch und Englisch über die Runden. Für alle neugierigen und sprachbegeisterten Erasmusstudenten bietet die ELTE wöchentlich stattfindende Sprachkurse an, die man während des Semesters besuchen kann. Ansprechperson ist hierfür Frau Dr. Katalin Szili.

 

Wohnen

Ob Wohnheim oder Wohngemeinschaft, in Budapest hat man, was das betrifft, definitiv die Qual der Wahl. Egal für was man sich letztlich entscheidet, beides ist durchaus günstiger als in unserer Mietwuchermetropole München. Zimmer in Wohngemeinschaften gibt es circa ab 150 Euro aufwärts, abhängig ist der Preis von der Lage, Größe und Ausstattung der Wohnung beziehungsweise des Zimmers. Dennoch sollte auch in Budapest gewisse Vorsicht geboten sein, denn so gibt es bei vielen Wohnungen oftmals verschwiegene Nebenkosten und Zusatzkosten für die Hausverwaltung, welche in Budapest üblich sind. Beliebte Studentenbezirke sind die Bezirke 5,6,7. Nicht unbedingt zu empfehlen ist der 8. Bezirk, obgleich dieser sehr billig ist wie auch zentral liegt, gilt er unter Ungarn als gefährlich. Insgesamt ist Budapest jedoch eine sehr sichere Stadt, welche mit westlichen Metropolen vergleichbar ist. Bei der Zimmersuche kann das Wohnungsportal „www.wg-gesucht.de“ oder die englischsprachige ELTE-Website helfen.

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Budapest

Budapest ist sicherlich eine der schönsten Metropolen Europas mit einem atemberaubenden Donaupanorama, welches sich den Besuchern vor allem bei Nacht offenbart. Für Nachtschwärmer gibt es in Budapest ein nahezu unglaubliches Angebot an Bars und Clubs. Besonders Ruinenbars wie beispielsweise das „Fogas ház“ (Zahnhaus) oder das mittlerweile schon weltberüchtigte „Szimpla“ gehören zu den beliebtesten Zielen. Tagsüber kann man in Budapest zahlreiche Museen und Kunstaustellungen besuchen. Budapest zeichnet sich auch durch seine ausgeprägte türkische Badekultur, ein Erbe der türkischen Besetzung, aus. Sehenswert sind beispielsweise das berühmte Széchenyi Bad oder das alte Rudas Bad. Desweiteren verfügt Budapest über einige kuriose Superlative wie beispielsweise die längste U-Bahnrolltreppe (Széll Kálmán tér) oder das kleinste Kino der Welt. Wer bereit ist auf außergewöhnliche Menschen, Situationen und Orte zu treffen, für den kann das Abenteuer Budapest sofort beginnen. Monatstickets für Studenten gibt’s in Budapest für umgerechnet 11 Euro pro Monat und das bei einem unglaublich gut funktionierenden (!) Verkehrssystem.

Wer in Budapest und Ungarn selbst, was Abenteuer betrifft, nicht fündig wird, dem empfehle ich Ausflüge in sämtliche Nachbarländer (Slowakei, Rumänien, Ukraine, Serbien etc.) oder in das von Ungarn heiß geliebte „Transsylvanien“.

 

Universität und Lehre

Die Eötvös-Loránd-Universität erstreckt sich mit verschiedenen Campus über die ganze Innenstadt. Der schönste Campus ist wohl unangefochten der „BTK“-Campus der Geisteswissenschaften, der sich nahe der Metrostation Astoria befindet. Auch ist es durchaus möglich Kurse verschiedener Fakultäten und Campus zu wählen, was jedoch mit etwas mehr organisatorischen und fahrtechnischen Herausforderungen verbunden ist. In meinem Fall hat sich dieser Aufwand aber wirklich gelohnt, konnte ich auf diese Weise sogar Kurse des Masterstudiengangs „Ethnic and Minority Studies“ belegen, die mir sehr gut gefallen haben. Plätze für Masterkurse sind für Bachelorstudenten zwar offiziell begrenzt, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, einen Platz zu bekommen, sehr hoch. Die Dozenten und Professoren der ELTE waren alle sehr freundlich und hilfsbereit. Obgleich die Organisation in Ungarn sehr von der gewöhnten aus München abweicht, sollte man sich deswegen nicht zu viele Sorgen machen. Unangekündigte Stundenausfälle, sowie stetiges Chaos was die Kurse und deren Organisation betrifft sind ganz normal in Ungarn. Abweichungen finden sich auch bezüglich der Bewertung von Arbeiten, so gilt in Ungarn die „5“ als beste sowie die „1“ als schlechteste Note. Also nicht erschrecken -  die erste „5“ tut am meisten weh.  Allen Leseratten sowie fleißigen Studenten kann Budapest mit wunderschönen Bibliotheken dienen, unter meinen Favoriten und wirklich zu empfehlen ist die Szabó Ervin Könyvtár, welche sich direkt am Kálvin tér befindet. Diese ist meiner subjektiven Meinung nach die schönste Bibliothek der Welt  Mittags kann man die Mensa der BME-Universität (4.Stock) besuchen, welche sich direkt neben dem ELTE Campus am Budai hídfő befindet. Hier gibt es regionale Mensaspezialitäten für den kleinen Geldbeutel.

 

Fazit

Abschließend möchte ich noch ein Thema ansprechen, welches mir in besonderer Weise am Herzen liegt. Wie man in vielen Berichten über Ungarn hört, steht es dort mit der Demokratie und Medienfreiheit gerade nicht so gut. Widersprechen kann und will ich dieser Feststellung nicht. Dennoch sollte man sich gerade deswegen nicht die Chance nehmen lassen die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage, welche an eine komplexe und vielschichtige Geschichte anschließt, verstehen zu lernen. Denn obgleich einer nicht immer einfachen politischen Situation trifft man in Ungarn auf unglaublich freundliche und außergewöhnliche Menschen, welche nur darauf warten, dir „ihren eigenen Teil“ des Landes zu zeigen. Ich habe meinen Erasmusaufenthalt als eine wahnsinnig bereichernde Erfahrung erlebt, bei welcher man nicht nur viel über „das Andere“ sondern vor allem „das Eigene“ lernt. Deswegen möchte ich jedem ans Herz legen, sich diese Erfahrung nicht (durch knappe Regelstudienzeit) nehmen zu lassen.

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„Köszönöm szépen“

Herzlicher Dank geht nochmals an meine Erasmus- Koordinatoren Mária Kelemen (LMU) sowie Prof. Dániel Bárth (ELTE-Universität), die diesen einzigartigen Aufenthalt möglich gemacht haben und mir während des gesamten Aufenthalts immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Ebenso Dank geht an Prof. Zsófia Kata Vincze (ELTE-Universität), die mit ihrem erfrischenden Humor und ihrer selbstkritischen Lehre Licht ins Dunkel brachte.