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Äideistä parhain-Abend

Diskussion über den preisgekrönten finnischen Film über Kriegskinder

(Zusammenfassung der Beiträge von Satu Peltomäki und Anna Maria Lópau)

Am 4. Juni 2007 haben wir im Rahmen des Äideistä parhain-Abends über den gleichnamigen finnischen Film diskutiert. „Äideistä parhain“ bedeutet „Die beste Mutter“. Äideistä parhain ist ein Film von 2005 und hat viele Zuschauer gehabt sowie viele Preise bekommen, zum Beispiel bei den Festivals in Kairo und Tallinn.

Der Regisseur des Films ist Klaus Härö. Er ist ein sehr beliebter finnischer Regisseur. Vielleicht kennt jemand von euch seine anderen Filme wie Näkymätön Elina und Uusi ihminen. Härö ist ein finnisch-schwedischer Regisseur: Schweden spielt eine wichtige Rolle in einigen seiner Filmen. So ist zum Beispiel Äideistä parhain teilweise in Schweden und teilweise in Finnland gemacht worden.

Äideistä parhain gründet sich auf ein Buch von Heikki Hietamies von 1992 und erzählt über die Zeit in den 1940er Jahren. Der Film erzählt über Kinder, die im Zweiten Weltkrieg von Finnland nach Schweden geschickt wurden. Von Finnland nach Schweden wurden insgesamt etwa 70.000 Kinder im Winterkrieg und Fortsetzungskrieg geschickt. Meiner Meinung nach, sind diese traumatische Ereignissen nicht früher viel in Finnland behandelt geworden.

Satu Peltomäki

Hintergrundinformationen zu Äideistä parhain

Recherchiert und übersetzt von Anna Maria Lópau
(http://www.aideistaparhain.com/suomi/)

Die Geschichte

Äideistä parhain ist die Geschichte des Schicksals eines kleinen Jungen mitten im Weltkrieg. Der Krieg bricht aus und der Vater des 9-jährigen Eero geht an die Front. Obwohl der Vater Eero verspricht, dass der Krieg bald vorbei ist, wird nichts wieder, wie es war - sondern kurz nach Beginn des Krieges kommt die Trauermeldung von der Front.
Die zur Witwe gewordene, von Trauer gebrochene Kirsti ist nicht fähig, sich um ihren Sohn zu kümmern und schickt Eero zur Sicherheit nach Schweden, mitten in den Wohlstand. Die Mutter versichert, dass der Umzug nach Schweden nur zu Eeros eigenem Besten sei, aber Eero fällt es schwer, das zu verstehen. Er tritt die Reise ins unbekannte Land und zur neuen Mutter an.
Das Leben in der Fremde beginnt nicht gut. Eero fühlt, dass er den Erwartungen der Familie in Skone überhaupt nicht entsprechen kann. Die strenge Pflegemutter Signe ordnet für Eero Hausarbeit auf dem Bauernhof an und schickt ihn zur Schule. Weil alle um ihn herum Schwedisch sprechen, lebt Eero in seiner eigenen, losgelösten Welt. Obwohl in Schweden Frieden ist, geht Eero in seinen eigenen Krieg, der in ihm unvergessliche Spuren hinterlässt.
Die Geschichte basiert frei auf Heikki Hietamies’ gleichnamigem Roman.

Das Wort des Schriftstellers

Vor 50 Jahren hängte mir eine Lotta-Tante einen Pappzettel um den Hals - auf dem die Nummer des 10-jährigen Heikki notiert war - kein Reisegepäck, Name und Evakuierungsadresse. So bin ich in das weltgrößte Kinderumsiedlungsprogramm gekommen, als eines dieser 70.000 finnischen Kinder, die man vor dem Krieg nach Schweden geschickt hat.
In den Frachtraum des Schiffes Arcturus passten 600 Kinder auf einmal. Uns Größeren hat man das Weinen auf dem Schiff verboten, damit die Kleineren nicht davon angesteckt wurden. Auch wir fanden irgendeine Ecke, um unsere Sehnsucht zu verstecken und weinen durften wir, wenn es nur niemand gesehen hat. Die Lottas erzählten, in Schweden bekämen alle jede Menge von ihrer Lieblingswurst und Fahrräder. Man musste nur stark sein.

Jahrzehntelang war diese gewaltig große Kinderverschickung nicht vergessen, aber totgeschwiegen worden. Wenn jemand über seine Erlebnisse schrieb oder erzählte, so waren es sehr positive Sachen. Waren sie in der Hauptsache natürlich, dass die Kinder gutes Essen und neue Kleider bekamen. Die Kleineren hatten anfangs Sehnsucht, aber die Mutter in Finnland konnte vollkommen in Vergessenheit geraten und für die schwedischen Familien war es besser so. Der Kummer kam erst später, als die Kinder in ihr einstiges Zuhause nach Finnland zurückgebracht wurden.
70.000 Kinder war eine so große Zahl, dass an den Enden des Bogens die Kinder zum einen in der Obhut der Königsfamilie und zum andern in Kinderheimen waren. Einige 100 Kinder starben in Schweden an Krankheiten, die sie aus Finnland mitgebracht hatten. Tausende Kinder blieben dauerhaft in Schweden - wahrlich eine gute Entschädigung für die Hilfe. Undankbar durfte man durchaus nicht sein; Schwedens Hilfe hatte damals gewaltige Dimensionen.
Es kam zu Hunderten von erschütternden Fällen: die Kinder wurden gegen ihren Willen nach Finnland zu ihren Eltern nach Hause entlassen, an die sie sich gar nicht erinnerten. In den Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Kriegskinder ein schlechteres Verhältnis zu ihren Eltern gehabt haben als Vergleichsgruppen. Wie es sich auf ihr Leben als Erwachsene ausgewirkt hat, wurde nicht besonders gründlich untersucht - das dürfte man erforschen.

Jahrzehnte später haben die Kriegskinder angefangen, ihre Erfahrungen zu erzählen, auch die Traurigen. In Finnland gibt es schon zahlreiche Kriegskinder-Vereine, und die in Schweden gebliebenen Kriegskinder haben auch angefangen, sich mit ihren Schicksalen zu befassen.
Mein Buch "Die beste Mutter" ist vor 14 Jahren im Jahre 1992 erschienen. Sein Verdienst ist, dass ich meine Seele von der Kriegskindheit reinigte. Vielleicht bewirkt der Film das Gleiche bei einem Schicksalskameraden.

Geschichtlicher Hintergrund: Finnlands Kriegskinder

Während des Winter- und Fortsetzungskrieges wurden insgesamt annähernd 80.000 Kinder aus Finnland nach Schweden, Dänemark und Norwegen verlegt. Der überwiegende Teil der Kriegskinder, über 70.000, wurden nach Schweden geschickt. In Bezug auf die Einwohnerzahl war die große Zahl der umgesiedelten Kriegskinder weltrekordmäßig.

Bei Ausbruch des Winterkrieges bildeten sich in Schweden starke patriotische Ansätze zu Gunsten Finnlands. "Finlands sak är vår!" Die Schweden boten sich an, ohne Bezahlung für die Finnlandkinder zu sorgen. Finnlands Außenministerium hätte direkte Hilfe nach Finnland haben wollen und lehnte ab. Zwei der Gründungsmitglieder der zentralen Finnlandhilfe-Bewegung, die Frau des schwedischen Außenministers Maja Sandler und Dr. phil. Hanna Rydh ließen die Angelegenheit nicht ruhen, sondern reisten nach Finnland, um das Hilfsprojekt zu fördern. In Helsinki wurde am 13.12.1939 das Finnlandzentrum der nordländischen Hilfe gegründet, dessen Hauptaufgabe die Organisation der Verlegung der finnischen Staatsangehörigen nach Schweden war. Die Kinderverlegung bekam Sozialminister Fagerholms, Innenminister Borns und auch Marschall Mannerheims Zustimmung. Die Kinder wurden als Garant der Verbindung zwischen Finnland und den nordischen Ländern gesehen.

Die ersten Kriegskinder schickte man schon mit dem Schiff Arcturus am 15.12.1939 von Turku nach Stockholm. Bald verlegte man die Umsiedlung der Kinder auf den Zug via Haparanta, weil russische U-Boote das Meer beherrschten.

Der größte Teil der abreisenden Kinder kam aus Helsinki, Viborg und anderen großen Städten. Anfangs waren die Auswahlkriterien für die abreisenden Kinder sehr streng. (Kinder von Invaliden, Gefallenen, Wiederaufbauarbeitern, erwerbstätigen Müttern usw.) Später konnte annähernd jedes Kind unter 13 Jahren mitreisen.

Die Kriegskinder kehrten nach Beendigung des Winterkrieges nach Hause zurück, aber die Verlegung begann zu Beginn des Fortsetzungskrieges von Neuem. Die Rückführungstransporte wurden die ganzen 1940er Jahre hindurch fortgesetzt. Die Reintegration der Kinder aus Schweden war schwieriger als vermutet und noch 1950 und 1952 wurden Anfragen an Regierung und Parlament gestellt. In Schweden blieben dauerhaft ca. 15.000 und in Dänemark 500 Kinder.