Lehrstuhl für Finnougristik
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Gastvortrag Pekka Aikio

Pekka AikioBericht zum Gastvortrag am 8. Dezember 2006

Pekka Aikio (Präsident des finnischen Samenparlaments)

"Samische Kultur und den Alltag der Samen"

Am Freitag, den 8. Dezember 2006, besuchte Pekka Aikio, der Präsident des Samenparlaments in Finnland, der auf Einladung der Gesellschaft für bedrohte Völker nach München gekommen war, das Institut für Finnougristik und Uralistik, um die versammelten Zuhörer im Rahmen seines Vortrags über den Alltag und die Kultur seines Volkes in den Norden zu entführen und einen sehr eindrucksvollen Einblick in das Leben des Urvolkes im Norden Europas zu geben.

Pekka Aikio im GesprächZur Überraschung des Publikums entschied sich der studierte Biologe und Rentierzüchter spontan, seinen Vortrag in deutscher Sprache zu halten und gab zunächst einen kompakten Überblick über die Situation der Sami in Finnland, erläuterte u.a. nach welchen Kriterien die Zugehörigkeit zum Volk der Sami bestimmt wird und berichtete sowohl über die sprachliche Situation der Sami in Finnland als auch über den Entwurf einer gemeinsamen Verfassung aller Sami, die die Belange und besonders die Fragen der Rentierzucht und -wanderung des auf norwegischem, schwedischem, finnischem und russischem Gebiet lebenden Volkes einheitlich regeln solle. Die Sami, so betonte Pekka Aikio, wollten keinesfalls einen eigenen Staat auf den Gebieten der anderen Staaten gründen, sie wollten lediglich die ihr Volk, ihre Kultur sowie ihre Lebensgrundlage betreffenden Angelegenheiten einheitlich geregelt wissen und hätten deshalb diesen Verfassungsentwurf erarbeitet. Dessen Besonderheit liege eben darin, dass er die Gesetzgebung vierer Nationalstaaten betreffe, daher könne man weder Voraussagen über sein Inkrafttreten noch darüber machen, wie er in den vier beteiligten Staaten aufgenommen und anerkannt werde.

Abgerundet wurde der Vortrag von Dias, anhand derer Pekka Aikio aufzeigte, dass norwegische Felsmalereien die Existenz der Kultur der Sami im Norden Europas bereits für eine Zeit vor bis zu 8000 Jahren belegen und dass die Rentierzucht ein von Gleichberechtigung geprägtes Gewerbe sei, in dem auch die Frauen ihre eigenen Tiere hätten und diese auch eigenhändig mit einer Ohrmarkierung als ihre kenntlich machten. Gleichzeitig erklärte Pekka Aikio, dass es sorgfältiger Beobachtungen bedürfe, um die jeweiligen Jungtiere innerhalb der Herde ihrer Mutter (und somit auch dem jeweiligen Besitzer) zuordnen zu können und sie entsprechend zu markieren.

Pekka Aikio und Prof. Dr. Elena SkribnikAußerdem erläuterte Pekka Aikio an einigen Beispielen, wie an den für die Identität der Sami zentralen Trachten die Herkunft der Träger erkennbar ist und wie die Tourismusindustrie in Verkennung dieser Merkmale vermeintlich exotische Idylldarstellungen schafft und dabei angebliche Sami in einem für die Sami völlig untypischen und undenkbaren Gemisch aus Sommer- und Winterkleidung vor einer Sommerkulisse auftreten lässt. Daneben, so hob Pekka Aikio hervor, würden bei derlei Arrangements auch Frauen- und Männerkleider vertauscht bzw. werbewirksam dem falschen Geschlecht zugeordnet. Gerade die Winterschuhe aus Rentierfell trügen die Sami nur auf dem Schnee und keinem anderen Untergrund, führte Pekka Aikio aus und fügte hinzu, dass diese Schuhe aus dem Fell und Leder der Rentierbeine gefertigt würden, da gerade diese Köperregionen der Rentiere eine andere Fell- und Hautzusammensetzung aufwiesen als der Rest des Körpers und sich das besonders gut gegen Kälte isolierende Material daher gut zur Fertigung wärmender Schuhe eigne.

Der Vortragende und seine ZuhörerschaftIm Anschluss an den Vortrag bot sich die Gelegenheit, in der Diskussion auf weitere Aspekte der Kultur der Sami einzugehen und nicht nur mehr über die Benennung junger Rentiere und ihre sich mit zunehmendem Alter verändernden, mitunter an die Pubertät erinnernden Verhaltensweisen zu erfahren, sondern auch über Pekka Aikios Beobachtung zu diskutieren, dass es bei Mischehen zwischen Angehörigen der Sami und anderer Volksgruppen oftmals die Frauen seien, die sich um die Erhaltung der samischen Traditionen innerhalb der Familien bemühten. Außerdem spreche die jüngere Generation der Sami, die inzwischen ihre Muttersprache in der Schule als Unterrichtsfach und mitunter auch als Unterrichtssprache wählen könne, mit ihrer Großelterngeneration wieder Samisch, während der Elterngeneration während ihrer Schulzeit die eigene Sprache und somit ein wichtiger Teil der eigenen Kultur vollkommen verboten gewesen sei. Mit diesen und weiteren Eindrücken aus dem hohen Norden klang die Woche bei Kaffee und Kuchen ruhig aus.